Review: Charlie Cunningham – Weniger ist mehr (12.12.2017, Zürich)

Eine Norwegerin, ein Brite, drei Gitarren, ein Mikrophon, ein Stuhl – mehr braucht es am heutigen Abend nicht im Bogen F. Damit sind Vorband, Hauptband und Bühnenbild vollständig vorhanden. Und beweisen, dass weniger manchmal mehr ist. Beziehungsweise viel mehr wie in diesem Fall!

Siv Jakobsen (Foto: Silke Kemnitz bs! 2017)

Die Norwegerin Siv Jakobsen übernimmt das Einstimmen des schon gut gefüllten Saales. Im schlichten schwarzen Kleid, mit glatten dunkelbraunen Haaren und geradem Pony steht eine junge Frau mit Gitarre auf der Bühne. Ein unauffällig – schlichtes Erscheinungsbild.

Eine unauffällig – schlichte Musik: dezente Gitarrenbegleitung unterstreicht den klaren Gesang, der mehr als einmal in trällernde Höhen abdriftet und das Zuhören mühsam macht. Während sich Siv Jakobsen über die Ruhe während ihrer Songs freut, wirkt das Publikum eher verhalten: abwartend während der Lieder und freundlicher Applaus danach.

Siv Jakobsen (Foto: Silke Kemnitz bs! 2017)

Umbauphase: Stuhl auf die Bühne, Gitarre dazu, noch fix ein Bier holen. Ausverkauftes Haus, erwartungsvolle schaut das überwiegend jungen Publikums gespannt auf die Bühne. Und da huscht er auch schon mit einem freudig-aufgeregten Lächeln auf die Bühne: Charlie Cunningham. Schwarze Jeans, T-Shirt, der Junge von nebenan und eindeutig ein wenig aufgeregt. Ein tiefer Schluck aus der Bierflasche spült das Lampenfieber hinunter, den Rest erledigt der erste Song Telling It Wrong. Leichte beschwingte Gitarrenrhythmen, virtuos vorgetragen, gewürzt mit spanischen Flamencorhythmen, garniert mit einer warmen Stimme. Tosender Applaus, strahlende Gesichter, von der Bühne kommt ein Lächeln, „Hello“, „Thank you“ und der nächste Song.

Charlie Cunningham (Foto: Silke Kemnitz bs! 2017)

Vorsichtig tasten sich einzelne Töne von der Bühne, sanft baut sich ein sensibles zartes Emotionsgeflecht auf, dezent unterstreicht die Stimme dieses sanfte Gebilde. Wie ein feiner bunter Nebel fliesst der Song über das Publikum. Bis in die letzte Ecke Saales. Und mit jedem Song wird der Zauber stärker, der Applaus tosender, der Protagonist ein weniger unaufgeregter.

Charlie Cunningham (Foto: Silke Kemnitz bs! 2017)

Und das Alles ganz unspektakulär, gradlinig, bescheiden. So wie sein virtueller Auftritt ist auch sein Live Auftritt: Charlie Cunningham stellt seine Musik in den Vordergrund, lässt die Musik sprechen und lebendig werden. Er selber ist in seinem Element, vollkommen authentisch, komplett mit sich im Reinen. Vielleicht ist das das Geheimnis, warum die Musik scheinbar lebendig zu werden scheint und ein Eigenleben entwickelt. Mal schwebt sie wie ein bunter Frühlingsblumenstrauss vom Wind verwirbelt von der Bühne, dann hat sie eine plastische Gestalt. Die Freude, der Schmerz, die Melancholie, das Lächeln springen von der Bühne und marschieren direkt in die Herzen der Zuhörer. Charlie Cunningham macht Musik, die lebendig wird, voller Emotionen ist und authentisch daherkommt.

Weniger ist hier ganz
klar viel mehr!

Galerien (by Silke Kemnitz bs! 2017):

Setlist Siv Jakobsen:

  1. To Leave you
  2. Dark
  3. Crazy
  4. Berry & Whythe
  5. How We Used To Love
  6. Blanket
  7. Like I Used To
  8. Bullet
Charlie Cunningham (Foto: Silke Kemnitz bs! 2017)

Setlist Charlie Cunningham:

  1. Telling It Wrong
  2. In One Out
  3. Breather
  4. Answers
  5. Less Leg
  6. While you Are Young
  7. Long Grass
  8. Blindfold
  9. Light Off
  10. Molino
  11. You Sigh
  12. An Opening
  13. Minimum
    Encore
  14. Paper Plans
  15. Plans

Links:
http://www.charliecunningham.com/
https://www.facebook.com/charliecunninghammusic/
http://www.sivmusic.com/

 

Judith Sander
Judith Sanderhttps://www.be-subjective.de
Es gibt Sucht-Charaktere, die entsagen und es gibt andere, die setzen sich ins Epizentrum ihres Verlangens. Nein, Judith ist keine Schweizer Taschenmesserwerferin, sie ist bekennend schokoladensüchtig und metzelt ohne zu zucken für ‘ne Toblerone oder Eiscreme oder Tobleroneeiscreme oder.. na jedenfalls: Die Frau ist echt Zucker, echt hart drauf, hat ein feines Näschen, legt sich für die richtigen Dinge ins Zeug, in die Kurve und nascht am allerliebsten an kleinen, unbekannten Bands in ruhiger Atmosphäre. Wer die olle Genießerin dennoch ans Messer liefern will, sperrt sie – in einen rosa Rüschen-Alptraum gehüllt – mit stinkenden Dränglern ins Musikantenstadl und nimmt ihr das letzte Milkyway weg.

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