Southern Records
23.10.2000
www.southern.com/southern/band/KARAT
https://www.facebook.com/Karate-Band-163702693672588/
- Small fires
- The lived-but-yet-named
- Sever
- The roots and the ruins
- Number six
- One less blues
- The halo of the strange
- The angels just have to show
- This day next year
Perfekte Alben.
Es gibt kein Album, das ich sooft gehört habe, wie Karates Unsolved. Aus unerfindlichen Gründen wurden Karate (1993 – 2005) von der banausenhaften Musikpresse sträflich ignoriert, weshalb sie nie größere Bekanntheit erlangt haben. Nicht zuletzt deshalb sind sie üblicherweise die erste Band, die ich neuen Bekannten aufschwatze, wenn man sich zum ersten Mal über Lieblingsbands unterhält. Gleichzeitig ist es immer ein Aha-Erlebnis, jemandem über den Weg zu laufen, der sie ebenfalls liebt; als gehöre man einem geheimen Zirkel an. Weshalb sie kaum beachtet wurden, ist mir nach wie vor ein Rätsel, weil sie eine dieser Bands sind, die man sofort wiedererkennt, sobald man sie einmal gehört hat.
Gerade weil ihr Sound so eigen ist und sich von Album zu Album gewandelt hat, ist er schwer einzuordnen. Vereinfacht gesagt handelt es sich um eine Mischung aus Indie Rock, Post Rock und später zunehmend jazzigen Einflüssen, wobei die drei Bandmitglieder aus der Bostoner Punk-, Hardcore-Szene stammen, gleichzeitig aber Absolventen des Berklee College of Music sind. Die transparente Instrumentierung ist auf Schlagzeug, Bass und Gitarre reduziert, keine Overdubs, wobei die Musiker sich perfekt ergänzen, und über allem schwebt klar und lakonisch die Stimme von Sänger, Gitarrist und Songschreiber Geoff Farina.
Während die jazzigen Momente auf den ersten drei Alben, Karate (1993), In Place Of Real Insight (1997) und The Bed Is In The Ocean (1998) eher rückblickend herauszuhören sind, stehen sie auf Unsolved (2000) deutlicher im Vordergrund. Ähnlich wie beim West Coast Jazz, werden die Songs als solche erst detailverliebt arrangiert (und zu Papier gebracht!), während die warmen, mittigen Gitarrensoli improvisiert sind. Gelegentlich wird die melancholisch getragene Grundstimmung des Albums durch leichtere Songs oder noisige Passagen und Feedbackdröhnen konterkariert, wodurch die Vergangenheit der Musiker zu erahnen ist.
Textlich bleibt Farina meistens kryptisch. Mal sind es poetische Geschichten über zwischenmenschliche Beziehungen, in anderen Fällen politische Kommentare und mitunter wirkt seine Lyrik, als wäre sie Ergebnis einer Art Cut-Up Technik; scheinbar zusammenhangslos aneinandergereihte Zeilen, bei denen es mehr um Assoziationen als Inhalte geht. Aus dem Stück „Small Fires“:
Is this what they call the end?
Are we sleeping on a dark star?
Is this some saint we all forgot?
Is she burning in a parked car?
Because violence is so, so slow
And patience will do us in
So mothers stop looking for your sons in the woods
Because you will find them on CNN
That's when you will try, try
But you can't evict the sun
It lights up one hour every morning every day
When you know you are the one
So much for Saturdays
And other days when lives are at stake
God forgive us for the hatred
For the risks that we take
Boys forget promises from both coasts
What would it take?
Brillant. Das Uneindeutige ist dabei beabsichtigt. In einem Interview sagt Farina:
I want to deal with everyday issues, but I don't want to preach. I grew up with punk rockers who get up there and scream idealism. It hasn't helped me. I think the idea is to help people think for themselves.
Erschienen ist das Album auf dem winzigen Label Southern Records, das, der Webseite zufolge, momentan nicht sonderlich aktiv zu sein scheint.
Als vor einigen Monaten so gut wie alle Karate Alben von Spotify verschwunden sind, habe ich sie angeschrieben, um herauszufinden, was dahintersteckt. Leider konnten sie mir die Frage nicht beantworten, wollten sich aber drum kümmern, ohne dasss bislang etwas passiert ist. Was ich dabei aber erfahren habe: Im Laufe dieses Jahres plant das Label, alle Karate Alben auf Vinyl wiederzuveröffentlichen. (Offiziell wurde es allerdings noch nicht angekündigt.) Eine hervorragend Entscheidung für Plattensammler, denn aktuell werden Vinylversionen von Unsolved auf Discogs für bis zu 180 Euro gehandelt. Und das ist bei aller Liebe doch ein bisschen viel des Guten.
Da es sich hierbei um eine Plattenkritik handelt, zum Abschluss noch ein wunderschönes Zitat von Geoff Farina, was er von Musikkritik hält.
[…] 25% of music journalists apparently have a serious reading comprehension problem. Many writers can not comprehend the three-paragraph one-sheet that most record labels send out with recordings for review. Each time we release a record approximately one quarter of the reviewers are unable to understand what city we're from, who plays what instrument, or to otherwise correctly quote information that is presented to them verbatim. If writers pay that little attention to us, I wonder why they bother to review our record at all, and I wonder how much misinformation I get from other reviews I read. […]
Deshalb: Nicht unbesehen meinem Geschreibsel glauben, sondern reinhören, Fan werden und Karate bei jeder sich bietenden Gelegenheit weiterempfehlen. Zum Besipiel indem man dieses Review teilt. Schönen Dank!
Nachhören:
- Karate – Small Fires [YouTube]
- Karate – The Roots And The Ruins [YouTube]
- Karate – Unsolved [Full Album]