Review: Dudelsack + Sackpfeife + Schalmei) * (Bass + Gitarre + Keyboard + Schlagzeug) = Tanzwut (12.05.2017, Dresden)

Endlich. Ein halbes Jahr später als gedacht findet das Tanzwut-Nachholkonzert statt. Das selbst der Teufel ’krank’ werden kann, war mir zwar neu, aber dies war damals (Anfang Oktober 2016) zumindest der offizielle Grund für die Verschiebung der ersten Termine der „Schreib es mit Blut-Tour“ aus dem vergangenen Jahr. Nun ist alles für die Rockshow1 von Tanzwut in der Dresdner Neustadt gelegenen Tante Ju vorbereitet.

La Frontera Victoriana (Foto: Kristin Hofmann bs! 2017)

Zuvor hat La Frontera Victoriana Gelegenheit Ihre Debut-LP „Über den Äther“ dem Elbflorenzer Publikum vorzustellen. Wie es der Bandname schon erahnen lässt und Bühnendeko bzw. Outfits der Kieler um Sänger Mittka auf der Nebelweide bestätigten, geht es hier ins Steampunk-Genre. Allerdings hört sich das Ganze gesanglich und vor allem musikalisch eher nach Pop/Rock an.

Tendenz Richtung Schlager.

Ebenso ist die Luftschiff-Nummer als thematische Grundidee in dieser Musikart schon ein ziemlich abgenudelt. Einzig das Stück „Wir tanzen Tango“ sticht da positiv ein wenig heraus. Jedenfalls scheine ich mit meiner Einschätzung nicht alleine da zustehen, denn auch wenn sich die Band redlich bemüht, schafft sie es nicht zu verhindern, dass die anfangs noch reichlich anwesende ZuschauerInnenschar sich wieder in Richtung Bar oder ganz raus zum Rauchen begibt und der Saal gerade in den hinteren Reihen ziemlich leer wird.

La Frontera Victoriana (Foto: Kristin Hofmann bs! 2017)

Es gab mal Zeiten, da waren bei Tanzwut-Konzerten solch später erfolgreiche Bands wie z.B. A Life [Divided] Support und Rammstein haben 1995 noch vor Project Pitchfork gespielt, aber dies ist ein anderes Thema. Ob eine solche Karriere auch bei La Frontera Victoriana so eintreffen wird, darf meiner Meinung bezweifelt werden. Halbe Stunde Vorband, halbe Stunde Umbau – langsam wird es echt Zeit für den eigentlichen Höhepunkt des Abends, Tanzwut.

Tanzwut (Foto: Kristin Hofmann bs! 2017)

Als die ersten Töne des mittlerweile sehr bekannten Intros „Götterfunken“ durch Dudelsack, Sackpfeife, Schalmei & Co erklingen ist alles gut. Waren bei dem Einsatz von Schwarzlicht zu Beginn nur die Konturen der Musiker zu sehen, so sind Der Zwilling, René B., Shumon „Zach“, Pyro, Qualli Bomba, Bruder Schlaf und Teufel bei „Schreib es mit Blut“ jetzt erst richtig zu erkennen. Mit „Meer“ aus dem Album „Ihr wolltet Spaß“ geht es zurück zu den Anfängen von Tanzwut. Bei „Freitag der 13.“ stimmt am 12. Mai in der Tante Ju nicht ganz die Zahl, auf jeden Fall aber der Wochentag.

Als nächstes ergehen über das Auditorium noch ein paar Merseburger Zaubersprüche („Auferstehung“), samt heftigstem Dudelsack-Sackpfeifen-Metalbrett. Danach streifen Tanzwut musikalisch quer durch die jüngere Vergangenheit ihrer Band-Diskographie. Die Berliner veröffentlichten seit 2011 fast jedes Jahr einen Longplayer und haben somit für reichlich neues Songmaterial gesorgt.

Tanzwut (Foto: Kristin Hofmann bs! 2017)

Die Lieder werden lautstark mitgesungen und Sänger Teufel hat immer mal wieder einige Anekdoten für seine „Brüder im Geiste“ – selbstredend ebenso für die anwesenden Schwestern – als Songüberleitungen parat. Bei „Stille Wasser“ wird es etwas ruhiger im Saal. Auf der aktuellen Platte ist dieser Track mit einem Feature von Liv Kristine zu finden und zum „Reiter ohne Kopf“ gibt es sogar den ersten Tanzwut-Comic (siehe dazu entstandenes Video). Als „Heimatlos“ ertönt, wird ein passendes Banner mit dem Schriftzug

Überall Zuhause trotzdem Heimatlos

im Publikum aufgespannt und Teufel erzählt von einem Fan, welcher an diesem Tag wegen einem Bahnausfall extra mit dem Flugzeug angereist ist, um die Gig nicht zu verpassen. Bei „Wenn ich tot bin“, kommt das Schwarzlicht wieder zum Einsatz um die entsprechenden Kostümierungen, samt Sombreros (!), besser erkennen zu lassen. Nach „Spiegelkabinett“ und dem Klassiker „Der Wächter“ ist der Hautteil zwar zu Ende, aber „Nein nein“ es ist noch nicht ganz vorbei.

Tanzwut (Foto: Kristin Hofmann bs! 2017)

Schon während die Protagonisten das Podium verlassen, schallen die ersten kräftigen „Zugabe, Zugabe“-Rufe von den Anwesenden im Saal in Richtung Band. Und so soll es dann auch sei.

„Bitte Bitte“

Bei „Hymnus Cerberi“ kommen noch ein Mal alle Dudelsäcke, Sackpfeifen und anderen Instrumente zum Einsatz, dann ist endgültig Schluß.

„Vorbei ist vorbei“.

Tanzwut (Foto: Kristin Hofmann bs! 2017)

Mit diesem Zwei-Stunden-Spektakel wird das Publikum im Live-Club Tante Ju von Tanzwut in die Nacht entlassen. Die sehenswerte Darbietung war auf alle Fälle jeden Penny wert und nicht nur für die Vorband Anschauungsunterricht für eine sehr gute Rockshow. Wer wollte konnte sich nach der Vorstellung noch am Merch-Stand Autogramme von den Musikern geben lassen und für die hartgesottenen Tanzwutlinge ging es anschließend auf der Hinterher-Sause noch weiter.

Tanzwut (Foto: Kristin Hofmann bs! 2017)

Galerien (by Kristin Hofmann bs! 2017):

Setlist:

  1. Götterfunken
  2. Schreib es mit Blut
  3. Meer
  4. Freitag der 13.
  5. Auferstehung
  6. Bruder Leichtsinn
  7. Wer wir sind
  8. Das Gerücht
  9. Brüder im Geiste
  10. Stille Wasser
  11. Reiter ohne Kopf
  12. Geteert und gefedert
  13. Heimatlos
  14. Wenn ich tot bin
  15. Wenn wir untergehen
  16. Reicher als ein König
  17. Spiegelkabinett
  18. Der Wächter
  19. Nein nein
    Encore:
  20. Lügner
  21. Bitte Bitte (Die Ärzte Cover)
  22. Vorbei ist vorbei
  23. Hymnus Cerberi RI
La Frontera Victoriana (Foto: Kristin Hofmann bs! 2017)

Weiterhören:
„Tanzwut“; „Labyrinth der Sinne“; „Ihr wolltet Spaß“; „Schattenreiter“; „Morus et Diabolus“; „Weiße Nächte“; „Höllenfahrt“; „Eselsmesse“; „Freitag der 13.“ & „Schreib es mit Blut“

 

 

Links:
www.tanzwut.com
www.la-frontera-victoriana.de
www.liveclub-dresden.de

Anmerkungen:
1 Tanzwut spielen u.a. auf Mittelaltermärkten rein akustische Konzerte nur mit altertümlichen Instrumenten (siehe auch die LP „Morus et Diabolus“).

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Jeder sollte einen Tobi haben. Keiner von uns hat ihn je gesehen, der Typ ist einfach zu groß und artig, der schmeißt aufgeblasene orange Dinger in Einkaufsnetze und - wie man so hört - muss sich der Ü190 Hüne dafür bücken. Eat Sleep Ball Repeat. Ansonsten ist ein Tobi einer, der Kassetten professionell aufwickeln kann, "der immer Ärger macht, der Streiche spielende Anstifter, der, der süchtig nach Furcht ist, ein Sinnbild für Gefahr." Jeder sollte einen Tobi haben. Und eine B-Seite.

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