Review Europe + Mustasch @ The Circus, (21.12.2012, Helsinki/Finnland)

Europe sind ein kurioses Phänomen. Den jüngeren Generationen vielleicht als Band eher unbekannt, ist ihr größter Hit aber trotz allem fast jedem geläufig. „The Final Countdown“ hat Wiedererkennungswert, und wenn auch der Name der Band heutzutage nicht mehr jedem etwas sagen mag, die Melodie haben selbst diejenigen, die die Glanzzeiten der Band verpasst haben, schon mal irgendwo gehört.

33 Jahre sind die Schweden schon im Geschäft; von den ursprünglichen Gründungsmitgliedern sind jedoch inzwischen nur noch Sänger Joey Tempest und Gitarrist John Norum mit dabei. 1979 zunächst unter dem Namen „Force“ gegründet, haben Europe bis dato insgesamt neun Studioalben, drei Livealben, drei Kompilationsalben und neunzehn Videos herausgebracht.

Mit ihrem dritten Album „The Final Countdown“ (1986) schafften Europe den Sprung in die Top 20 der Billboard Charts, und ihren internationalen Durchbruch. Die Platte verkaufte sich allein in den USA über drei Millionen Mal; weltweit waren Europe damals mit über 20 Millionen verkaufter Alben eine der erfolgreichsten Rockbands der 80er Jahre.
1992 löste sich die Band vorübergehend auf. Elf Jahre später gaben sie ihre offizielle Reunion bekannt. Seitdem hat die Band vier neue Alben auf den Markt gebracht, und ist zurzeit mit ihrer neuesten Scheibe „Bag of Bones“ auf Tour.

Als Anheizer für Skandinavien hatten Europe ihre Landsmänner Mustasch angeheuert. Letztere hatte ich selbst zuvor noch nie live gehört, wohl aber dass sie noch besser sein sollten als eine meiner schwedischen Lieblingsbands, Sparzanza. Ob das wirklich so ist, sollte ich noch herausfinden; eins stand jedoch von vorneherein fest: Mustasch haben genau wie Europe eine große Fanbase, und entsprechend stapelten sich vorm Eingang des Clubs und in den Garderoben die Fans. Bei einem derartigen Fanaufgebot ist natürlich auch die Stimmung schon von Anfang an bombastisch. Mustasch wurden stürmisch begrüßt, und fast jeder Song lauthals mitgegrölt. Frontman Ralf Gyllenhammar liebt sichtlich den Kontakt zum Publikum. Er verbrachte viel Zeit im Graben, wo er Hände schüttelte und auch das eine oder andere Wasser oder Bier aus den Bandvorräten verteilte. Musikalisch haben’s Mustasch ebenfalls drauf, allerdings gingen mir ihre Songs im Vergleich mit Sparzanza nicht wirklich ins Ohr. Aber das ist schließlich Geschmackssache. Fakt ist, dass Mustasch während ihres einstündigen Sets die ohnehin schon begeisterte Menge so richtig zum Brodeln brachte. Mission Warmup eindeutig erfüllt!

Um 22.30, mit einer halben Stunde Verspätung war’s dann endlich Zeit für den eigentlichen Hauptakt des Abends, auf den alle gewartet hatten. Was einem bei Europe sofort auffällt ist, dass die Jungs wirklich alte Hasen im Business sind. Nicht nur musikalisch, sondern auch was das Sich-In-Szene-Setzen betrifft. Da sitzt einfach jede Pose, und zwar nicht nur bei Sänger Joey Tempest, sondern auch der Rest der Band ist perfekt aufeinander abgestimmt. Europe wissen, wie sie am besten wirken, und das Publikum mitreißen. Schon nach wenigen Songs hatte die Stimmung unter den Fans einen Level erreicht, der einer Stadionkonzert-Atmosphäre das Wasser reichen konnte. Noch nie habe ich so etwas zuvor in einer Konzerthalle erlebt! Das ist beeindruckend, weckt aber auch nostalgische Gefühle, denn Bands eines solchen Formats gibt es heutzutage leider nur noch wenige.
Auch die Setlist ließ eigentlich kaum noch Wünsche offen. Die fünf Schweden eröffneten ihre Show mit drei Songs ihres neuen Albums „Bag of Bones“ (2012). Danach ging’s auf eine Zeitreise durch die 80er mit „Superstitious“ (Album: „Out of This World“, 1988), Scream of Anger („Wings of tomorrow“, 1984) und ihrem zweiten grossen Hit „Carrie“ („The Final Countdown“, 1986). Zwischendurch gab’s einen kurzen Abstecher ins aktuelle Jahrtausend mit „No Stone Unturned“ („Last Look at Eden“, 2009), dann schloß sich mit „Demon Head“ („Bag of Bones, 2012) der Kreis, und gleichzeitig auch der erste Teil des Konzerts.
Damit’s in Bon-Jovi-Manier danach noch richtig clubmäßig-gemütlich werden konnte, hatte die Band ein Akustikset vorbereitet. Jetzt konnte das schwedische Quintett beweisen, daß sie nach drei Jahrzehnten nicht nur immer noch kräftig abrocken können, sondern sich auch auf waschechten Blues verstehen. Ein besonderes Bonbon des Sets war das Fleetwood Mac Cover „The World Keep on Turning“, bei dem Frontman Joey Tempest Gitarrist John Norum das Mikro überließ.  Zwei weitere Akustiksongs später wurde die Reise quer durch die musikalische Karriere der Band weiter fortgesetzt. Nach rund eineinhalb Stunden beendeten Europe ihre Show mit „Rock The Night“ von ihrem Erfolgsalbum „The Final Countdown“. Damit waren die Fans natürlich gar nicht einverstanden, und verlangten lautstark nach einer Zugabe. Zumal ja auch der Song noch nicht gespielt worden war, auf den alle warteten: Wer will schon nach einem Europe-Konzert nach Hause gehen, ohne „The Final Countdown“ live gehört zu haben? Nach dem Motto „Save the best for last“ heben sich die Jungs diese Nummer für gewöhnlich bis ganz zum Schluss auf.
Zum Glück ließ sich die Band nicht lange bitten, und kehrte schon nach wenigen Minuten auf die Bühne zurueck. Als Zugabe gab’s zunächst das Intro und den Song „Last Look At Eden“ vom gleichnamigen Album, bevor dann endlich mit „The Final Countdown“ als Sahnetüpfelchen und gleichzeitiger Rausschmeißer die Stimmung im Saal den absoluten Höhepunkt erreichte.

Das Konzert in Helsinki war zwar das letzte der „Bag of Bones“-Tour 2012, doch für alle diejenigen, die die Altrocker diesmal verpasst, oder aber immer noch nicht genug haben, gibt es gute Neuigkeiten: Europe spielen im Sommer auf dem Sweden Rock Festival (www.swedenrock.com), und es gibt Pläne für ein DVD-Release dieses Auftritts!

Setlist The Circus, Helsinki
Europe, Bag of Bones-Tour
21.12.2012

Riches to Rags
Not Supposed to Sing the Blues
Firebox
Superstitious
Scream of Anger
No Stone Unturned
Carrie
Demon Head

Acoustic set
The World Keep on Turning
(Fleetwood Mac cover) (John Norum on vocals)
Drink and a Smile
Open Your Heart

Love Is Not the Enemy
Girl From Lebanon
Sign of the Times
The Beast
Rock the Night

Encore
Prelude
Last Look at Eden
The Final Countdown

www.mustasch.net
www.europetheband.com

Iris Kessin
Iris Kessin
Aikansa kutakin. "Alles zu seiner Zeit" sagt ein finnisches Sprichwort. Iris ist unser Schläfer bzw. unser Dornröschen, eine äußerst wache Rose in Finnland. Irgendwann wird sie uns mit ihren fotografischen Arbeiten bombardieren, erblühen, ordentlich stechen. Codename: Helsinki. Raja se on raittiudellakin.

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