Freitag, 19:00 Uhr in Bremen. Parkplatzsuche. Die mindestens 100000km lange Schlange aus jungen, schönen Menschen vor der Aladin Music Hall lässt die Hoffnung auf einen kurzen Fußweg rasant schwinden. Nach dem überwinden der ersten Hürde schafft mensch es glücklicherweise doch noch rechtzeitig zum Einlass. Die Schlange, größtenteils bestehend aus U-25 Mädels mit ihren manchmal nur semi-glücklich aussehenden Begleitern, quetscht sich durch die engen Einlasskontrollen in die heiligen Hallen des Aladin. Ein Zettel mit: „AUSVERKAUFT bedeutet, dass es definitiv keine Tickets mehr gibt!“ prangt an der Eingangstür. Darunter: „Royal Republic, Support: Tim Vantol+The Wholls“. Gleich zwei Supportacts, ein langer Abend steht bevor.
Das Aladin füllt sich schnell bis in die letzten Ecken mit Menschen in Royal Republic Shirts, ein geheimer Dresscode, von dem nur ganz wenige nichts wussten. Auch am Merchandise Stand gibt es mehr Shirts als Tonträger. Ein hoch auf die Uniformität.
Pünktlich um 20:00 Uhr beginnt mit den britischen The Wholls die musikalische Europarundreise. Mal davon abgesehen, dass kaum jemand weiß wer die sind, geschweige denn, wie man diesen Bandnamen ausspricht, macht die Band einen ganz ordentlichen Job als Warm-Up. Und das im wahrsten Sinne des Wortes, das Aladin erreicht schnell eine Temperatur weit über der Wohlfühlzone. Das Konzert ist nichts für Epileptiker, schnelle Lichtwechseln und viel zu viel Strobo untermalen laute, laute Rockmusik. Auf ihrer Facebookseite bezeichnen sie ihren Stil als: „Alternative rock music felt from the heart and shot from the hip“. Und das trifft es ganz gut. Jugendlicher Leichtsinn mit bluesigem Einschlag tönt durch den großen Saal. An diesem Tag feiern The Wholls die Veröffentlichung ihrer ersten Single „X21“ in good ol‘ Germany. Frischfleisch also. Kaum Flaum am Kinn, aber posieren können sie schon wie die ganz Großen.
Zukünftig kann man The Wholls auch auf Solotour erleben; in den kleinen, dunklen, schwitzigen Läden. Nicht, dass es im Aladin an Schweiß mangeln würde, aber um ein Publikum von dieser Größe zu überzeugen, braucht es noch etwas mehr. Nachdem The Wholls die Bühne verlassen, ertönen im Publikum die abendbegleitenden „Rooooyal Repuuuublic“ – Schreie, doch es bedarf noch etwas Geduld.
Ein einziges Mikrofon wird in der Bühnenmitte platziert. Nach kurzer Zeit erscheint der sympathische Tim Vantol. Der nette Nachbar aus den Niederlanden, nur mit einer Akkustikgitarre bewaffnet, wirkt etwas verloren auf der großen Bühne und entschuldigt sich direkt beim feierwilligen Publikum. Er wisse selbst nicht, was er auf einem Rock n‘ Roll Konzert verloren habe, aber er könne es nicht ändern. Das Publikum zeigt jedoch guten Willen und hört dem äußerst talentierten, folkig-punkigen Liedermacher gern zu.
Zwischen den Stücken seiner zwei Studioalben „Road Sweet Road“ und „If we go down, we will go together“ erhebt Vantol stark fluchend den politschen Zeigefinger und erhält dafür bald mehr Jubel, als für seine Musik. „We don’t deserve to be here more than any other person on this planet”. Mit den Abschiedsworten:
“Kein Mensch ist illegal”
verlässt er unter frenetischem Jubel die Bühne. Bremen ist, trotz der einheitlich schwarzen Royal Republic Shirts, im Herzen bunt.
Die nächste Umbaupause. Riesige blitzförmige Bühnenbeleuchtungselemente werden enthüllt. „Rooooyal Repuuuublic“ – Schreie ertönen immer und immer wieder. Die Hitze ist kaum noch auszuhalten und sorgt für das erste Ausrücken der Sanitäter. Die Securities sind wachsam. Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis Royal Republic aus Schweden gut gelaunt die Bühne entern und direkt mit „When I see you dance with another“ der „Weekend Man“ Platte loslegen. Eingängige Gitarrenriffs und Ohrwurmmelodien, damit punkten Royal Republic. Das Publikum ist vom ersten Ton an angeknipst wie eine Horde wildgewordener Duracelhäschen. Es hüpft und hüpft und hüpft und hüpft und hüpft und hüpft und treibt damit die Raumtemperatur auf den Gipfel. Schon nach kurzer Zeit könnten die studierten Musiker um Sänger Adam Grahn mit ihren weißen Hemden bei jedem Wet (T)-Shirt Contest gewinnen. Smartphones schießen wie Pilze in die Höhe. Für Grahn völlig ok.
„I’m a whore, I loooove the camera“
scherzt er. Nach diversen Hits des Kalibers „Underwear“ oder „Everybody wants to be an Astronaut“ gibt es mit der Barbershop-Version von „Addictive“ eine kurze Verschnaufpause für die Duracelhäschen, bevor es mit „Kung Fu Lovin‘“ wieder direkt auf die Zwölf gibt. Die ungewöhnliche Hitze findet in fast jeder Ansage des unglaublich sympathischen Adam Grahn Erwähnung.
„If you feel like undressing, that would be alright …I like to watch.“
Zumindest einige Herren der Schöpfung kommen seiner Bitte nach und auch Grahn muss sich von den ersten Kleidungsstücken trennen. Mit „Baby“ und einer Endlosversion von „Tommy-Gun“ geht es weiter. „Roooyal Repuuuublic“-Schreie ertönen zwischen allen Songs, nicht, dass die Jungs noch ihren Namen vergessen… Die Band hat ihr Publikum voll im Griff. In die Hocke gehen, springen und tanzen, selbst bei dieser Hitze kein Problem und mensch beginnt sich zu fragen, ob der Nebel auf der Bühne nun Kunstnebel oder eine Schweißwolke sei. Zwischen den Songs gibt es immer wieder Interaktionen mit dem Publikum und Anekdoten, mal auf Englisch, mal in bruchhaftem Deutsch, aber irgendwie immer recht versaut. So lamentiert Grahn mit dem breitesten möglichen Grinsen über 30-seitige Fanfiction, basierend auf einem Kuss mit einem Bandkollegen bei Rock Am Ring, welche mit „Full gay awesome mega sex“ endet. So viel Aufmerksamkeit macht die Band, die sich selbst eh schon ziemlich geil findet, natürlich noch selbstbewusster. Und das ist gut so. Royal Republic entpuppen sich als gewaltige Entertainer und sind eben, entgegen der Erwartung der Autorin, nicht nur eine dieser „schwedischen Bands“.
Nachdem sich die Band für etwa eine Minute hinter die Bühne zurückzieht, kommt sie für fünf weitere Songs zurück und verteilt zwischendrin fleißig Wasserflaschen an die schwitzenden Duracelhäschen. The Hüpfen must go on. Nach „Follow the Sun“ und „Getting Along“ zünden Royal Republic schlussendlich die „Full Steam Space Machine“ und alle heben noch einmal ab.
Und dann ist es soweit, das Licht geht an. Musik aus der Konserve ertönt und die Band verlässt…nicht die Bühne. Ganze zwei Lieder tänzeln sie umher und lassen sich feiern, entledigen sich ihrer klebenden Kleidung und werfen diese ins Publikum. Generell wird alles verteilt, was nicht niet- und nagelfest ist. Neben den üblichen Drumsticks, Plektren und Setlists gibt es dieses Mal auch Krawatten, Hemden, Hosenträger, Bier und Handtücher. Fast hätte man meinen können, das Royal Republic die erste Band wird, die ihre Schlüpfer ins Publikum wirft, statt andersherum, aber zum Leidwesen der Mädels in der ersten Reihe hören die Jungs dann doch irgendwann auf und verlassen, noch immer breit grinsend, die Bühne.
The Hüpfen must go on!
Galerien (by Thea Drexhage bs!):
- Royal Republic (10.03.2017, Bremen) [34]
- Tim Vantol (10.03.2017, Bremen) [20]
- The Wholls (10.03.2017, Bremen) [23]
Setlist Royal Republic:
- When I See You Dance with Another
- Walk!
- Make Love Not War
- Strangers Friends Lovers Strangers
- Underwear
- Weekend-Man
- Everybody Wants to Be an Astronaut
- Any Given Sunday
- People Say That I’m Over The Top
- Addictive (Barbershop Version)
- Kung Fu Lovin‘
- Baby
- Tommy-Gun
Encore - Here I Come (There You Go)
- Follow the Sun
- Getting Along
- I Don’t Wanna Go Out
- Full Steam Spacemachine
Links:
www.royalrepublic.net
www.thewholls.com
www.timvantol.com