Review: Schönes im Schauderhaften – Esben and the Witch & Sum Of R (15.02.2017, Zürich)

Zur Wochenhalbzeit steht im Bogen F ein Konzert der besonderen Art an. Es ist eine Einladung in experimentelle Sphären, eine musikalische Reise in emotionale Welten, in düstere Abgründe, in fragile Höhen und in eine bunt-neblige Sound-Welt.

Die Einstimmung bleibt Sum Of R überlassen. Ein Schweizer Instrumental-Duo, das nur mit Gitarre und Schlagzeug auskommt. Und es ist erstaunlich, welch unglaubliche Soundgebilde das Duo entstehen lässt. Von mystisch-dunkel-fragil bis hin zu kräftig-disharmonisch-verstörend nehmen die Klänge die ZuschauerInnen mit auf eine musikalisch-meditativ-verstörend-schöne Reise.

Aus der bunten Nebelbühne wabern vorsichtig einzelne sanfte Töne zum Publikum, es wird eine fragile Soundwelt heraufbeschworen, die langsam atmosphärisch zu größeren Verheißungen anwächst, um sich dann schlagzeuggewittrig in einem tosenden Orkan zu entladen. Die beiden Musiker sind ganz in ihren Instrumenten und in den Klangwelten versunken, sie sind so nah und erscheinen doch so fern.

Eine gewaltig-musikalisch-meditativ-psychodelische Einstimmung auf den Hauptact!

Esben And The Witch (Foto: Judith Sander)

Nach einer kurzen Umbauphase betreten Esben and the Witch die Bühne und verschwinden kurze Zeit später im bunten Nebel, der zwischendrin durch Stroboskop-Licht durchbrochen wird. Bei der Musik des Trios geht es nicht um Bühnenpräsenz, sondern es geht um menschliche Abgründe, Emotionen, um eine musikalische Reise in unheimlich-faszinierende Klangwelten.

Es geht um das Schöne im Schauderhaften, es geht um emotionale Erlebnisse, es geht darum, sich mitnehmen zu lassen, Teil einer musikalischen Story zu sein, die sich nach und nach in den Soundgebilden und in jedem Einzelnen materialisiert.

Esben and the Witch entführen das Publikum in düstere, beängstigende Tiefen, nur um mit den nächsten Tönen luftige, alles verheißende Sphären heraufzubeschwören. Es entstehen Klangwelten, die verstören, dann wieder verzaubern, die in verlockende Höhen führen, nur um im nächsten Moment in unheilvolle Abgründe abzustürzen. Die Band lässt eigene Klangwelten entstehen, die emotional aufgeladen sind, die mal mehr verstören, mal mehr umschmeicheln, mal sanft umgarnen, sich im nächsten Moment wuchtig entladen um zuletzt in einem optischen und akustischen Gewitter Gestalt anzunehmen.

Esben And The Witch (Foto: Judith Sander)

Esben and the Witch entführen das Publikum in eine märchenhafte Story, deren Mit-AutorIn jede/r einzelne ZuhörerIn ist. Gemeinsam entwickeln sich so märchenhafte Gebilde, emotional aufgeladen, zauberhaft schön und schauderhaft grausig. Gehalten werden diese mal mehr fragilen, mal mehr kraftstrotzenden musikalischen Gebilde von der Stimme von Rachel Davies.

Ihre Stimme präsentiert sich manchmal samtig umschmeichelnd, sanft streichelnd bis hin zu kraftvoll bestimmend alles übertönend, dann wieder irgendwo zwischen den instrumentalen Klangwelten verschwindend, nur um im nächsten Moment sich vorsichtig schlängelnd oder verzweifelnd schreiend ihren Weg zu bahnen. Es ist die Stimme, die das verbindende Detail in den so entstehenden Soundgebilden ist.

Esben And The Witch (Foto: Judith Sander)

So kriechen an diesem Abend die Töne mal mehr verstörend, dann wieder umschmeichelnd, versöhnend, liebevoll an die Hand nehmend ins Ohr. Weiter geht es in unheilvolle Höhen, in disharmonische schon fast schmerzende Abgründe und zurück in wundervolle Erinnerungen, die ein Lächeln auf die Lippen zaubern. Und auch die Band ist irgendwo zwischen diesen gänsehautartigen Abgründen und zauberhaften Höhen verschwunden.

Vielen Dank an Esben and the Witch
für diese zauberhaft-abgründige Reise zur Wochenmitte!

Setlist:

  1. Sylvan
  2. Marking The Heart Of A Serpent
  3. Dig Your Fingers In
  4. No Dog
  5. Planet Caravan/They Use Smiles To Bury You
  6. The Wolfs Sun
  7. The Fall Of Glorietta Mountain
  8. Dull Gret
  9. The Jungle

Links:
www.esbenandthewitch.co.uk
www.facebook.com/esbenandthewitch

Judith Sander
Judith Sanderhttps://www.be-subjective.de
Es gibt Sucht-Charaktere, die entsagen und es gibt andere, die setzen sich ins Epizentrum ihres Verlangens. Nein, Judith ist keine Schweizer Taschenmesserwerferin, sie ist bekennend schokoladensüchtig und metzelt ohne zu zucken für ‘ne Toblerone oder Eiscreme oder Tobleroneeiscreme oder.. na jedenfalls: Die Frau ist echt Zucker, echt hart drauf, hat ein feines Näschen, legt sich für die richtigen Dinge ins Zeug, in die Kurve und nascht am allerliebsten an kleinen, unbekannten Bands in ruhiger Atmosphäre. Wer die olle Genießerin dennoch ans Messer liefern will, sperrt sie – in einen rosa Rüschen-Alptraum gehüllt – mit stinkenden Dränglern ins Musikantenstadl und nimmt ihr das letzte Milkyway weg.

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