Review: Helmet – „Dead To The World“ Tour (24.01.2017, Dresden)

Seit gut 20 Jahren stehen die Klassiker „Aftertaste“, „Betty“ und „Meantime“ von Helmet nun schon bei mir im Regal und genauso lange hat es gedauert bis ich diese Band endlich mal live erleben sollte. Was u.a. der Tatsache geschuldet ist, dass bei Helmet zwischen 1997 und 2004 komplette Sendepause herrschte. Nach der Neugründung gab es bei Helmet bis 2010 etliche Wechsel im Line-Up und nur der studierte (Jazz-)Gitarrist Page Hamilton ist als Kopf- bzw. Sänger der Band von der Gründungsbesetzung übrig geblieben. Alle anderen Positionen sind immer wieder neu besetzt worden, was sich leider auch (zumindest meiner Meinung nach) auf die Qualität der letzten beiden Veröffentlichungen niedergeschlagen hat.

Nun hat die Band seit Oktober letzten Jahres mit dem sehr bezeichnenden Titel „Dead To The World“ ein neues Werk am Start, welches zwei Wochen vor (!) der Wahl eines gewissen Donald T. zum Präsidenten erschienen ist – Vorahnung!?

Helmet (Foto: Toni Gunner bs!)

Ziemlich wütend klingen die neuen Songs jedenfalls und können mindestens mit denen vom Reunion-Album „Size Matters“ mithalten. Ob es für mehr reicht und „Dead To The World“ bei den drei Klassikern aus den 90er anknüpfen kann, wird sich zeigen und live beweisen, denn auch wenn das gesamte Konzert auf Vevo gestreamt wird, ist das unmittelbare Live-Erlebnis vor Ort doch immer noch am Besten – also auf ins Kulturzentrum Scheune in der Dresdner Neustadt.

Local H (Foto: Toni Gunner bs!)

Den Auftakt am heutigen Abend für die AnhängerInnen und LiebhaberInnen der alternativen Musik im Bereich Rock bzw. Metal machen Local H. Ebenso wie die Hauptband in den Vereinigten Statten beheimatet und wieder einmal der Beweis, dass es für eine gute Rockband nicht unbedingt mehr als zwei Personen braucht. Local H gibt es laut Aussage von Wikipedia schon zwei Jahre länger als Helmet und Mastermind Scott Lucas (Gesang, Gitarre, Bass & Perkussion in Personalunion!) geht mit seinem aktuellen Drummer ins 30. Bandjahr. Die Spielfreude steckt jedenfalls nicht nur mich im schon gut gefüllten Konzertsaal der Scheune an.

Local H (Foto: Toni Gunner bs!)

Local H – Ein würdiger und gut ausgewählter Support-Act – Klasse, so kann es weitergehen.

Nach dem Umbau ist nun alles soweit hergerichtet. Keine Band-Banner oder ähnlicher Schnick Schnack, sondern schlichter „Straight Edge“-Bühnenaufbau mit Schlagzeug, einer ordentliche Anzahl an Boxen, Verstärkern, Gitarrenhaltern, ein normales Mikro und eins für den verzerrten Gesang – alles ist bereit für den typischen Helmet-Sound. Einige Momente später knallt einem dieser Crossover von Hardcore und Metal, gepaart mit dem Groove aus dem HipHop, zusammen mit der markanten Stimme vom Sänger Hamilton auch schon um die Ohren.

Helmet (Foto: Toni Gunner bs!)

Der erste Teil des Konzertes besteht zumeist aus Tracks vom aktuellen Album wie „Bad News“ oder „I Love My Guru“, bzw. welchen aus der jüngeren Vergangenheit. Richtig Beigeisterung kommt beim zumeist Ü30 bis 40-Plus-Publikum beim absoluten Klassiker „Unsung“ oder älteren Songs wie „Overrated“ auf. Von dem Kater – hervorgerufen durch eine nächtliche bandinterne Feierei tags zuvor in Berlin (zu meiner Überraschung im guten Deutsch) berichtet – der Page Hamilton während des Konzerts plagt, ist jedenfalls nichts zu hören oder zu sehen.

Auf weitere längere Ansagen wird von Band verzichtet, es gibt ja schließlich noch einiges von der helmetschen Diskographie abzuarbeiten. So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass der Wiedererkennungsfaktor der Songs zum Ende des Sets durch das Performen von Klassikern wie „Wilma’s Rainbow“ oder „Give It“ immer höher wird. Dabei wird aber ebenso deutlich, wo die Messlatte durch die alten Tracks der anfangs besagten drei Alben aus den 90er für Helmet eigentlich liegt. Ob sich nun der neue Longplayer „Dead To The World“ dahinter einreiht oder doch nicht, möchte ich an dieser Stelle hier nicht abschließend bewerten und wird sich wahrscheinlich erst in 10, 15 Jahren, durch eine mögliche remasterte Wiederveröffentlichung, zeigen, wie es beim „Betty“-Album im Jahr 2010 passiert ist.

Helmet (Foto: Toni Gunner bs!)

Bevor es zur Zugabe kommt, ertönt (gefühlte fünf Minuten lang) ein kleines Noise-Gewitter im Konzertsaal, denn Herr Hamilton hat seinen Gitarrenverstärker einfach mal aufgedreht gelassen, was etliche BesucherInnen für Getränkenachschub an der Theke nutzen. Im Encore-Part reiht sich dann ein Hit an den anderen ein…“Ironhead“, „Milquetoast“ (ebenso auf dem ersten „The Crow“-Soundtrack erschienen – sehr zu empfehlen), „In The Meantime“ und Helmet spielen auch „Just Another Victim“, wenn auch ohne der Rap-Sequenz von Everlast. Denn – KennerInnen wissen – diesen Track hat die Band 1993 zusammen mit House Of Pain für die Musik zum Film „Judgement Night“ (klasse Soundtrack, schlechter Film) aufgenommen, auf dem noch weitere interessante Crossover-Kollaborationen zu finden sind wie beispielsweise Sonic Youth & Cypress Hill, Faith No More & Boo-Yaa T.R.I.B.E. oder auch Slayer & Ice-T.

Helmet are stille alive

Die Band verlässt unter jubelndem Beifall die Bühne und die Anwesenden verlassen glücklich oder auch zufrieden die Lokalität in Dresden. Page Hamilton hat es mit seiner Band Helmet jedenfalls immer noch drauf, Helmet 2017…Helmet are stille alive. Davon kann sich der geneigten MusikliebhaberInnen auch bei der den restlichen Terminen der Deutschland-Tour Anfang Februar bzw. Anfang März selbst ein Bild machen.

Galerien mit Fotos aus Hamburg (by Toni Gunner bs!):

Local H (Foto: Toni Gunner bs!)

Setlist Local. H.:

  1. John the Baptist Blues
  2. The Misanthrope
  3. Eddie Vedder
  4. Leon and the Game of Skin
  5. Bound for the Floor
  6. Hands on the Bible
  7. That’s What They All Say
  8. Fritz’s Corner
  9. High-Fiving MF

Weiterhören:

  • Helmet: „Dead“ To The World“; „Size Matters“; „Aftertaste“; „Betty“; „The Crow“ (OST); „Jugement Night“ (OST) & „In The Meantime“
  • Local H: „Hey, Killer“; „Halleluja I´m A Bum“; „12 Angry Months“; „Whatever Happened To P.J. Soles?“; „Here Comes The Zoo“ & „Pack Up The Cats“

Links:
www.helmetmusic.com
www.localh.com
www.scheune.org

Tobias Richter
Tobias Richterhttps://www.facebook.com/mischband/
Jeder sollte einen Tobi haben. Keiner von uns hat ihn je gesehen, der Typ ist einfach zu groß und artig, der schmeißt aufgeblasene orange Dinger in Einkaufsnetze und - wie man so hört - muss sich der Ü190 Hüne dafür bücken. Eat Sleep Ball Repeat. Ansonsten ist ein Tobi einer, der Kassetten professionell aufwickeln kann, "der immer Ärger macht, der Streiche spielende Anstifter, der, der süchtig nach Furcht ist, ein Sinnbild für Gefahr." Jeder sollte einen Tobi haben. Und eine B-Seite.

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