Huxley’s Neue Welt, Berlin. Typischer Dienstag, denkt sich’s und ist auf die Flaming Lips angesetzt. Mensch ist abgeklärt, mensch hat viel gesehen, mensch hat ne kleine Klinke hinterm Ohr und ’n Weitwinkel ins Auge implantiert, mensch ist nicht so leicht zu überraschen und das Huxleys eigentlich nicht für seinen Sound berühmt. Doch wenn mensch in der Location links und rechts von der Bühne von zwei überdimensionalen Pilzen begrüßt wird, ist ahnbar, dass das kein normaler Konzertabend wird.
Georgia. Ein Support, der jüngst als Support von The Kills im Tempodrom brillierte. Ein sympathisches Soundbonbon, das sein neuem Album „feel it“ vorstellen wollte. Konjunktiv. Georgia Barnes, eine Sängerin, ein Multitalent, das optisch und musikalisch eigentlich wahnsinnig gut und krass abliefert. Georgia haben an diesem Abend technische Probleme. Die PA fällt aus. Reset, noch mal alles auf Anfang, doch der Gig ist nach mehreren Versuchen hin und KennerInnen der Band sind wirklich enttäuscht, denn die zwei Mädels haben’s eigentlich drauf. Doch Georgia können’s. Zu schade, dass sie Huxley’s Neue Welt an diesem Abend nicht für sich erobern können.
The fucking awesome Flaming Lips also.Der Name ist Begriff, die Koordinaten Superlative. Die Flaming Lips müssen eigentlich niemandem mehr was beweisen. Was soll nach einem Guinness Buch Eintrag, unzähligen Alben, Grammy, Stilexperimenten, Verwandlungen und der Adoption von Miley Cyrus eigentlich noch kommen. ’s kann diese Frage kaum erfassen, da diktiert ein infernales Intro einen neue Zeitrechnung in Huxley’s Neue Welt.
2017 ist gelaufen – Spoiler – das Konzert des Jahres steht fest.
Fuck Off Spannungsbogen, retardierendes Moment, Anfang, Ende. Die Flaming Lips falten alles zu einer einzige Klimax zusammen, ertränken die Neuronen des bunt gemischten Publikums in Konfetti, Ballons, kratzigen Sounds, Synthesizern, hypnotische Ausflüge und wann immer das Huxley’s einen Höhepunkt erreicht hat, entfachen Wayne Coyne und seine Labien einen neuen Höhepunkt. Die Glücksbärchies hätten ihre helle Freunde an den rosa-Kunstnebel-Fürzen, den vielsaitigen Regenbogensolis und Glitzereruptionen gehabt.
„Fuck yeah Berlin“
Will man die Flaming Lips mit den sprachlichen Möglichkeiten des irdischen Vokabulars auch nur annähernd fassen, so könnte man Coyne und Co. als „eine Art Marilyn Manson auf Acid“ beschreiben, stilistisch so wenig fasslich wie visuell. Irgendwo zwischen Tame Impala, Deichkind, Tschaikowski featuring The Adicts. Aber wie soll man auch in Worte kleiden, was onomatopetisch jedem noch so abgeklärten Konzertprofi die Schuhe auszieht.
Das willige Publikum hängt am Coyne-Chamelions Lippen. Die Augäpfel tanzen. Buchstäblich. Die elfte Jahreszeit auf ein karnevalesken Knall konzentriert, bei dem Stanley Kubrick Regie geführt haben könnte. Doch alles, was auf den ersten Blick übersinnlich und rein hedonistisch wirkt, ist bei den Flaming Lips virtuos auf die einzelnen Songs abgestimmt. Eine onomatopoetische Gesamtkomposition. Für manche ist es nur ein quietschbunter Einhornfurz mit musikalischer Untermalung, die beste Party des Jahres, ohne Frage, die anderen erkennen die Anleihen, die theatralische Variation, mit der man Bowie, Queen und Co. zuzwinkert.
Eine der klügsten orgastischen Inszenierungen, die der Neuen Weltordnung und ihren Hiobsbotschaften nur ein kleines, einsilbiges, zartes Wort entgegenzusetzen hat, das aber auch die Glücksbärchies, Marilyn Manson und David Bowie unterschreiben würden. An seidenen LED-Fäden schwebt das Lippenbekenntnis über dem Abend:
L O V E
The Flaming Lips, sind – um das mal für Neulinge auf ’ne Droge zu bringen – eine amerikanische Deichkind-Version, nur eben musikalischer und nicht so albern und haben in Berlin eine Neue Weltordnung ausgerufen. Diese psychedelischen Schweinepriester reiten (schon beim dritten Song!) buchstäblich Einhörner ein, biegen ’nen Regenbogen und verwandeln das Huxley in ein Bällebad ohne dabei albern zu werden oder zu verkitschen.
Das Geheimnis ihrer Shows ist, dass hier nicht mit Lamettafanfaren kompensiert wird, was musikalisch und inhaltlich nur dünn daherkommt. Das Geheimnis ihrer Show ist wohl, dass sie sie gar nicht nötig hätten, da Ihre Universen aus Klang und Sound mit Genres jonglieren, Melodien elegisch auswalzen, Wiederholungen zelebrieren und „mit übelstem Noise“ kombinieren und sich dabei wie ein onoatopoetischer Acid-Trip anfühlen, ganz so als hätten die 70s nie aufgehört. Und trotzdem liefern The Flaming Lips eine Show „die man locker auf fünf Städte in Deutschland hätte verteilen können.“ Eine unglaubliche Show ohne jedes Zuviel. Die Uhr schlägt orange, die Korova Milchbar schließt bald.
„Wenn das der Himmel ist, in dem sich alle tummeln, dann möchte ich jetzt tot sein.“
Aber so ist das mit Orgien,… mensch bekommt einfach nicht genug und je besser, desto größer ist das Begehren. Danach. Ein Paradox in Lust getränkt. Das Publikum liegt am Boden, badet in Lametta und Glitzer, ist naturbreit und trägt ein kunterbuntes Lächeln nach Hause. Buchstäblich.
Wenn Lippen in Flammen stehen, dann brennt das Universum.
Galerien:
Setlist:
- Race for the Prize
- Yoshimi Battles the Pink Robots, Pt. 1
- There Should Be Unicorns
- Pompeii Am Götterdämmerung
- What Is the Light?
- The Observer
- How??
- Space Oddity (David Bowie cover)
- The Castle
- Are You a Hypnotist??
- The W.A.N.D.
- A Spoonful Weighs a Ton
Encore: - Do You Realize??
Veranstalter:
Loft Concerts GmbH
Links:
www.flaminglips.com
www.facebook.com/flaminglips
www.georgiauk.com