Review: Stoneman – Wer feiern will, muss freundlich sein (18.11.2016, Hamburg)

Die Nacht legt ihr schwarzes Kleid über die alte, ehrwürdige Hansestadt nieder. Durch die Straßen Hamburgs huschen dunkle Gestalten die Grindelallee hoch zum Logo. Denn in diesem kleinen Schuppen rollen die Schweizer Stoneman heute Nacht ihre Steine. Nach dem recht erfolgreichen Album „Goldmarie“ (Zwei Platzierungen in den Top 10 der Deutschen Alternative Charts) und Support-Touren mit Mono Inc., Tanzwut und Megaherz, Auftritten in Wacken oder dem WGT sind Mikki Chixx, Dee, Rico H und Y nun auf eigener Headliner Tour quer durch Deutschland. Im Gepäck haben sie ihre zweite deutschsprachige Scheibe (inzwischen aber insgesamt das fünfte Album) „Steine“. Und nun tummelt sich ein Haufen interessierter, meist schwarz gekleideter Fans vor dem kleinen Club und erbittet Einlass.

So dunkel wie draußen ist es auch drinnen.

Als wollte der Club seine Makel kaschieren. Somit ist es für viele schwierig das Geld in der Brieftasche zu zählen, um sich etwas am Merchstand zu kaufen. Aber der Tresen ist besser beleuchtet, so muss zumindest niemand verdursten.

Stoneman (Foto: Olaf Räwel bs!)

Auf der Bühne hat sich inzwischen Root4 als Support eingefunden. Zwei Männer und ein Synthesizer mit Electro-Sounds, irgendwo zwischen EBM und Electro-Pop, jedoch mit dem richtigen Gespür für das Publikum, welches eher auf harte Gitarren und einem echten Schlagzeug steht. Wenn auch zögerlich ziehen sie die ach so reservierten Norddeutschen in ihren Bann. Relativ schnell ist dieser Auftritt vorbei, aber noch bleibt die Melodie von dem Lied „Vorstellungskraft“ im Kopf. Da es nicht allzu viel umzubauen gibt, geht es auch gleich weiter. Stoneman betreten die Bühne.

Ich packe meinen Koffer

Sie eröffnen ihr Set, nach einem kurzen Intro, mit einem Song vom der neuen Scheibe. Das „Kofferlied“ bezogen auf das Kinderspiel „Ich packe meinen Koffer“. Nur sollten die Sachen, die Mikki ins Mikro singt, doch lieber nicht in Kinderhände gelangen. Auch der nächste Song „Eiskalt“ ist von selbigem Album, bevor die ersten Kracher von „Goldmarie“ folgen. Aber gerade bei diesem Song fällt der Goldregen (goldene Papierschnipsel) doch sehr spärlich aus. Das hat man schon anders gesehen. Aber der Sound in diesem kleinen Laden, mit einer extrem niedrigen Decke, ist richtig satt, ist voller Volumen. Da hat Lenny von der Band Soon echt ein Händchen für. Leider ist das Licht immer noch unterirdisch und warum im Hintergrund zwei Monitore hängen, die nicht genutzt werden, steht als Frage im Raum.

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Stoneman (Foto: Olaf Räwel bs!)

„Wenn der Teufel“ – einen weiterer eigener Klassiker im Programm, folgt. Dies ist die deutsche Variante von „Devil in a Gucci dress“. Für ältere Fans wirkt diese Version doch ein wenig befremdlich, da mensch immer noch den alten dreckigen Sound und die englischen Textpassagen im Kopf hat. Der jetzige Song ist zwar professioneller, nur hat das Kleid seine Farbe verloren. Dennoch ist er eingängig wie die meisten Stücke der neuen Ära Stoneman´s. Die jüngeren Fans fahren voll drauf ab. Und bisher wird fast bei jedem Song mitgesungen, so auch hier.

Stoneman (Foto: Olaf Räwel bs!)

Erotisch angehaucht und ein bisschen duschgeknallt kommt nun „An der Leine“ daher. Im Bundle mit „Spiegelficker“ wäre das noch geiler gewesen, aber der Saal tobt und singt. Ein besseres Publikum kann man sich als Band gar nicht wünschen. Auch wenn es oder gerade weil wir uns in einem kleinen Club befinden.

Die Zugaben werden mit „Dein Geheimnis“ eingeläutet. Daraufhin folgt der Titelsong des neuen Tonträgers „Steine“. Dieser wirkt live doch ein wenig rauer als vom Tonträger. Beim Hören der Studioversion muss mensch schon fast befürchten, dass es zu viele Parallelen zur Grafschaft gibt und es in diese Richtung kippen könnte. Aber Live hat dieser Song die richtige Würze. Abschluss und absolutes Highlight ist dann natürlich „Freundlich sein“. Der ursprüngliche Song „Wer ficken will“ wurde in der Neufassung – vom Namen her – ein wenig entschärft aber die Aussage bleibt die gleiche. Ein Song der schon jetzt (oder soll man sagen erst jetzt?) absoluten Kultstatus erreicht hat. Somit ist es der Höhepunkt dieses Abends.

WER FICKEN WILL…

Galerien:

Stoneman (Foto: Olaf Räwel bs!)

Setlist:

  1. Intro
  2. Kofferlied
  3. Eiskalt
  4. An die Geräte
  5. Goldmarie
  6. Lolita
  7. Liebeslied
  8. Gott weint
  9. Der rote Vorhang
  10. Geschichte
  11. Wenn der Teufel
  12. An der Leine
  13. Liebe Liebe
  14. Mord ist Kunst
    Encore
  15. Dein Geheimnis
  16. Steine
  17. Freundlich sein

Links:
www.stonemanmusic.ch
www.root4.de

 

 

 

Olaf Räwel
Olaf Räwelhttps://www.be-subjective.de/
Olaf ist ein mediterran Scharfmacher sondergleichen. Seine Texte sind gewürzt mit den Tränen derer, die auf seiner heimischen, eigenhändig veredelten Chili-Plantage, den Mund zu voll genommen haben. Wenn er sich nicht gerade Live- oder Gaumenerlebnisse scharfzüngig zergehen lässt, jongliert Olaf mit sündhaft teuren Designmöbeln, erfindet die daoistische Harmonielehre neu und verbindet seine ästhetischen Leidenschaften mit Spaß. Olaf, so vermuten wir, ist eigentlich ein Akronym für Ordinary Lover of Art and Flavouring. Genug Rumgeräwelt. Das Spicegirl is(s)t scharf.

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