Review: Schandmaul – Wie ein Leuchtfeuer (26.11.2016, Berlin)

Die Band Schandmaul hat sich im Laufe der Zeit eine Ausnahmestellung in der Mittelalter-Szene erarbeitet. Als Geschichtenerzähler mit unverwechselbaren Melodien haben sich die MusikerInnen einen festen Platz im Herzen der Fans gesichert. Nach dem überraschenden Charterfolg ihrer letzten CD „Leuchtfeuer“, die bis auf Platz Eins vorrücken konnte, wurde es nun Zeit das neue Material den Musikfans auch live vorzustellen. Als Supportband wählte man Krayenzeit, die bereits jetzt als Geheimtipp der Szene gelten.

Krayenzeit (Foto: Lena Behlmer bs!)

Mit „Tenebra“ konnten Krayenzeit bereits in der Vergangenheit schon für Aufsehen sorgen. An diesem Abend scheint es der bunt gemischten Band noch besser zu gelingen. In einer Stadt wie Berlin ist es immer besonders undankbar eine Vorband zu sein, jedoch schaffen Krayenzeit es selbst das verwöhnte Publikum auf ihre Seite zu ziehen. Während „In Vino“ angestimmt wird, entwickelt sich bereits eine Party im Zuschauerraum, mit der man nicht hätte rechnen können. Schließlich beenden die Schwaben mit dem namensgebenden Song „Krayenzeit“ ihren Slot und dürften sich über rapide steigende Like-Zahlen freuen.

Zu Schandmaul muss man keine großen Worte verlieren, diese Band ist einfach ein absolutes Live-Erlebnis. Mit ihrem Sänger Thomas ziehen die MünchnerInnnen ihr Auditorium stets in ihren Bann, während Geschichten aus dem Mittelalter das passende klangliche Gewand erhalten.

Schandmaul (Foto: Lena Behlmer bs!)

Der Abend beginnt mit „Orleans“. Gleich ein neuer Track zum Einstieg eines Konzertes ist immer etwas gewagt, denn schließlich ist die Reaktion der Fans bei älteren Stücken euphorischer, so sagt die Erfahrung. In diesem Fall sollte man jedoch eine Ausnahme machen, denn auch dieser brandneue Song wird überschwänglich abgefeiert. Der Sehnsucht nach einem älteren Stück kommt die Band mit „Kein Weg zu weit“ nur allzu gern nach. Hier singt wirklich jeder BesucherIn mit, ein Refrain wie ein Treueschwur an diese Ausnahmekünstler. Nach dem Titeltrack „Leuchtfeuer“, das stimmungsvoll mit dem Bühnenbild harmoniert, kommt der zweite Teil der Siegfried-Saga zur Aufführung. Der „Drachentöter“ gehört seit vielen Jahren zu einem geliebten Epos der Schandmäuler. Mit „Bunt und nicht braun“ wird ein Zeichen gegen blinden Hass und Fremdenfeindlichkeit gesetzt, ein Thema aktueller denn je. Die kraftvolle Ballade „Zu zweit allein“ wird an diesem Abend zwar ohne Duett-Partnerin Tarja dargeboten, büßt jedoch nichts von seiner Ausdruckskraft ein, sondern eröffnet eine weitere Facette dieser Komposition, die in der Originalversion etwas zu kurz kommt.

Schandmaul (Foto: Lena Behlmer bs!)

In der Kiste der Everblacks muss man tief wühlen, dann begegnet man dem „Geisterschiff“. Inspiriert von einer Hörspielserie, zeigen Thomas und seine MitstreiterInnen hier ihre größte Stärke: Eine Geschichte, die sowohl in der Jetzt-Zeit, als auch im Mittelalter spielen könnte, wird unglaublich detailreich dargestellt. Zu dem dunklen Zeitalter gehören allerdings auch ausschweifende Feste, die mit „Der Pakt“ und „Der Teufel“ den stimmungsvollen Rahmen verpasst bekommen. Während die Temperaturen in der Halle ihre Höchstwerte erreichen, werden gleich zwei Fanlieblinge präsentiert. „Vogelfrei“ und „Walpurgisnacht“ dürfen einfach auf keiner Medieval-Party fehlen und nun ist der Berliner Hexenkessel perfekt. Nach der legendären Ballade „Dein Anblick“ verabschiedet sich die Band in die wohlverdiente Zugabenpause, ehe „Tjark Evers“ seine Live-Premiere am Piano feiern darf. Die Sage, um den Mann, der statt auf einer Nordsee-Insel auf einer Sandbank ausgesetzt wird und schließlich ertrinkt, fasziniert die Menschen seit Urzeiten. Mit „Euch zum Geleit“ und dem nachdenklichen „Zeit“ wird der Abend dann besinnlich-vorweihnachtlich beschlossen.

Galerien:

Links:
www.schandmaul.de

Fabian Bernhardt
Fabian Bernhardthttps://www.be-subjective.de/
Um unglaublich international zu wirken, hat die Redaktion einen Headhunter auf DEN Berliner angesetzt. DAS Phantom, wie es aus Szenekreisen heißt, hat viele Tarnidentitäten. Gesichert ist, dass der Dämon – ein gerade mal 76 Zoll großer metalbesessener Gothik-Zwerg – im Nebenerwerb als Schauma-Shampoo-Model jobbt und einen mittel bis stark ausgeprägten Festivalfetisch pflegt, sich während der Wintermonate mit Kneipensport Ersatzbefriedigung verschafft und eine ruhige Kugel in seinem Prinzessin-Lilliefee-Darkroom schiebt. Ob es das Spandauer Edelexemplar wirklich gibt oder auch Bernhardt nur ein Pseudonym ist, konnte bisher nicht geklärt werden.

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