Liebe Mrs. Smith, liebste Patti,
Sie kennen mich nicht. Ich bin niemand. Dies sollte eine Ode an die Kunst, an die Ehre werden, dieselbe Luft wie Sie atmen zu dürfen, Sie hören und darüber schreiben zu dürfen. Ich habe wohl alles gelesen und gehört, was ich in die Figer bekommen habe. Nicht dass ich mich an einzelne Titel oder Zeilen erinnern würden, aber durchaus an diese allumfassende Kraft, die mich mit der Vorfreude drauf erfüllte, durch Kunst und Musik eine Verbindung zu Ihnen zu fühlen.
Poetisch. Zerbrechlich und unsichtbar.
Wie unglaublich jemanden abzulichten, der vor Robert Mapplethorpes Kamera stand, der all die wahnsinnigen Künstler traf, der Dylan verehrt, der tat, was es zu tun gab, einfach weil es das Richtige war. Ganz ohne Plan, ohne Netz und doppelten Boden. Wie wahnsinnig, dass das Licht, das sich in der Linse meiner Kamera bricht, sie getroffen haben würde, bevor es mein Auge aufrisse.
Konjunktive sind tödlich.
In einem Kino sollte es passieren. Lichtburg, welch prosaischer Name. Welch intimer Rahmen. Lichtburg in Essen. Angemessen ausgewählt. Dachte man. Zugegeben, die Chance, dass eine Nichtssagende Redakteurin eines frechen Webzines, die eine der beeindruckendesten Frauen der Musikgeschichte fotografieren können sollte, war schwindend gering, da konnte ihr Riecher noch so gut, ihre Leidenschaft für den Moment und ihr Vorwissen noch so groß sein. Bescheiden bleiben und nichts erwarten. Zudem: Mensch ist leidgeprüft: Miserables Licht, fehlender Platz, Platzwunden von headbangenden Fans oder den Objektiven im Fotograben, Bier über Scheitel und Kamera, keine Bezahlung, unnötige Fahrtkosten, nichtswissende lokale Veranstalter, fehlende Organisation, freche PromoterInnen, Nächte auf Bahnsteigen, absurde Slots, Strobo, Bilderklau und andere Dramen. Was soll’s, was tut mensch nicht alles aus Leidenschaft.
Und unfassbares geschieht. Akkreditierungszusage!
„I’m dancing barefoot
Headin‘ for a spin
Some strange music draws me in
It makes me come up like some heroine“
Gefährliche Vorfreude.
Ich bin sicher, liebe Mrs. Patti, Feministin wird man aus Versehen, nicht weil das in sich einen Sinn hätte, irgendwas brächte oder irgendeine Antwort böte, irgendeine Träne trocknen würde. Feministin wird man ungefragt, weil man sagt oder singt, was man denkt, tut, was man will. Lebt. Mutig und klug. Kämpft. Zwischen den Zeilen und mit offenen Augen. Ich bin sicher, Sie sind eine versehentliche Feministin. Scheiß auf Frauen in Führungspositionen. Macht ist keine, wenn man sie missbraucht, sie ist dann einfach nur Gewalt in den Händen von Zicken.
Unfassbar Vernichtendes geschieht. Akkreditierungsabsage!
„You Can‘t Always Get What You Want“.
Mag sein, doch bin ich sicher, Sie würden sich schämen, wüssten Sie, wie man in Ihrem Namen agierte. Eine Person, die aus einer Generation stammt, in der es als emanzipiert galt, sich einen Funken von ‚Identität’ im Doppelnamen zu konservieren, entzieht, was zugesagt, im Namen Dritter. Der Veranstalter hat Hausrecht. Zu dumm auch. Jemand, der darauf spekuliert, dass Patti Smith nicht das Haus ausverkauft, ist eindeutig falsch in seinem Job. Jemand, der sich hinter Brandschutzvorschriften versteckt und mitten im Satz auflegt, weil er keine Argumente hat, sollte sich schämen, den Namen Patti Smith auch nur in den Mund zu nehmen.
Rock ’n Roll und Bestuhlung sind paradox. Welche Revolution wurde schon im Sitzen gemacht.
Mein Zynismus ist sich sicher, liebe Patti Smith, dass Sie ohnehin nicht drauf stehen, dass Leute, die sich 70 Kröten für einen Sitzplatz leisten können, ihre elitären Ärsche zu Songs, die sie nicht mal verstehen, noch platter sitzen. „Karma“ und „Kamera“…sind Worte, die sich im Deutschen ziemlich viele Buchstaben teilen.. Und was haben Sie nun davon? Brave Berichte. Versuche zu beschreiben. Viele Vielleichts! Zahlen. Fakten. Daten.Versuche der Annäherung. Versuchen impliziert Scheitern. „Intellektuelle Idioten!“ würde die Arroganz poltern. Durchkomponiert. Anschmiegsam. Kein Gefühl. Es ist so egal. Selbst die Bilder sind makellos tot. Robert würde kotzen oder in die Entwicklerlösung rotzen.
Liebe Patti, ich hoffe, irgendwer ist an diesem Abend in Essen aufgestanden, hat sich auf seinen Stuhl gestellt, sich ne Zigarette angezündet – oder mehr –, hat barfuß getanzt und den verschissenen Feueralarm ausgelöst.
Ich wollte nur, dass Sie das wissen.
Ich habe für Sie gekämpft. Bestimmt nicht umsonst.
Ich tanze barfuß.
Scheiß auf Essen.
Links:
*Leider können wir aus den genannten Gründen keine Livebilder liefern.