Preview: Soundexplosionen mit Tortoise im Beatpol (04.11.2016, Dresden)

Gibt man den Begriff Tortoise auf der deutschen Wikipedia-Seite ein hat man die Auswahl zwischen der Instrumentalband aus den USA und einem massiven Panzer aus England – nun die Entscheidung ist dann doch sehr schnell klar.

Tortoise. So unpassend die Analogie bei diesen künstlerischen Überzeugungstätern sein mag: in Wirtschaftskreisen würde man das eine „Benchmark“ nennen. Das in Chicago ansässige Quintett macht seit 25 Jahren Musik, die nicht wirklich einem Genre zuzuordnen ist und für die findige Popjournalisten seinerzeit das (von der Band immer ungeliebte) Genre „Postrock“ erfunden haben. Obwohl an Dub, Rock, Jazz, Kraut, elektronischen und/oder minimalistischen Sounds orientiert, klingen die Ergebnisse auf bisher sechs zum Teil legendären Studioalben dokumentiert immer klar und deutlich nur nach einem: nach Tortoise, diesem „nicht zu greifenden polysequenziellen Wurzelwerk der Soundexplosionen“ (de:bug). Und mit ihrem fabelhaften und überraschungsreichen neuen Album „The Catastrophist“ zeigen Tortoise, daß sie nach wie vor zu den wenigen stilprägenden Bands unserer Zeit gehören und definieren, was als „sophisticated state of the art“ anspruchsvoller Tanzmusik und zeitgenössischen Pops (aber auch Jazz) gelten kann. „Sie haben in den Neunzigern den Postrock miterfunden und danach nie aufgehört, aufregende, genresprengende Musik zu machen“, schreibt der „Spiegel“ aktuell zum Wirken von Tortoise.

Tortoise (Foto: Andrew Paynter)
Tortoise (Foto: Andrew Paynter)

“The Catastrophist”, das erste Studioalbum der Band seit fast 7 Jahren, ist ein Album, das von launischen Synthie-Jams wie dem ersten, namensgebenden Track des Albums über hypnotische, von Bass und Beat gesteuerten Songs wie “Shake Hands With Danger” bis hin zum wirklich seltsamen Cover von David Essex‘ 1973er Radiohit „Rock On“ (gesungen übrigens von Todd Rittmann von U.S. Maple), wirklich alles zu bieten hat, was das Tortoise-Universum so hergibt. Tortoise besteht aus den Multi-Instrumentalisten Dan Bitney, John Herndon, Doug McCombs, John McEntire und Jeff Parker und ist immer durch plötzliche „Ausbrüche“ von Inspiration getrieben worden. Zu ihrem beeindruckenden Auftritt beim Deutschen Jazzfestival 1999 in Frankfurt haben sie die AACM-Legende Fred Anderson sowie die Kollegen vom Chicago Underground Duo als Gäste eingeladen.

Tortoise schaffen auf „The Catastrophist“ Einzigartiges. Das intuitive Zusammenspiel der Band, die seit 25 Jahren miteinander experimentiert, übt und improvisiert, zeigt die Band auf der Höhe ihres Schaffens. „Die Chicagoer krautrocken auf gewohnt hohem Niveau weiter – überraschen auf „Hot Coffee“ mit Dance-Elementen und einer Coverversion von David Essex‘ 1973er Glam-Blues Rock On.“ (Musikexpress 1/16). Nennt es „Alterswildheit“ (Groove), nennt es Radikalität, nennt es Musizieren auf allerhöchstem Niveau – die Schildkröte ist zurück, und wie!

Und live waren Tortoise schon immer eine category of their very own, zum Bersten spielfreudig und druckvoll und raffiniert und gleichzeitig voller Energie und Power, wovon sich die Besucher*innen der fast komplett ausverkauften ersten Europatour von Tortoise Anfang des Jahres überzeugen konnten. Nun steht also der zweite Teil der Tournee auf dem hiesigen Kontinent an.

Die Dates:

  • 04.11.2016  Dresden, Beatpol

Links:
www.trts.com

Veranstalter:
www.aust-konzerte.com

Tobias Richter
Tobias Richterhttps://www.facebook.com/mischband/
Jeder sollte einen Tobi haben. Keiner von uns hat ihn je gesehen, der Typ ist einfach zu groß und artig, der schmeißt aufgeblasene orange Dinger in Einkaufsnetze und - wie man so hört - muss sich der Ü190 Hüne dafür bücken. Eat Sleep Ball Repeat. Ansonsten ist ein Tobi einer, der Kassetten professionell aufwickeln kann, "der immer Ärger macht, der Streiche spielende Anstifter, der, der süchtig nach Furcht ist, ein Sinnbild für Gefahr." Jeder sollte einen Tobi haben. Und eine B-Seite.

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